Text vom 26.10.2019 auf unserer Facebookseite: Nachdenkliches - meine Meinung
Es geht hier um uns Landwirte in Deutschland. Ich kann aber nicht für alle sprechen, sondern sage hier ganz klar nur meine eigene Meinung.
Vor kurzem haben eine Menge Bauern protestiert und versucht, mit der Politik und den Verbrauchern ins Gespräch zu kommen. Ich selbst war nicht dabei, habe aber vorher lange überlegt, ob ich mitfahren soll. Ich habe mich letztendlich dagegen entschieden, weil ich die Gefahr sehe, dass die Medien und Verbraucher den Eindruck bekommen können, dass die Bauern gegen Veränderungen auf ihren Höfen sind. Gegen Verbesserungen beim Natur-, Tier-, Insekten- und Trinkwasserschutz. Das ist aber ganz sicher nicht der Fall.
Ich persönlich halte eine Agrarwende zurück zu mehr "kleinen" bäuerlichen Familienbetrieben und weg von "industriellen" Großbetrieben für dringend nötig und alle Bäuerinnen und Bauern, mit denen ich spreche, sehen das genauso.
Nur: genau diese Höfe geben gerade reihenweise auf oder sehen immer ratloser in die Zukunft. Ein aufgegebener Hof kommt nicht wieder. Die Flächen werden von den verbleibenden, immer größer werdenden Betrieben "geschluckt".
Warum geben die "kleinen" auf ( von der Flächengröße her gesehen gehören wir auch dazu)?
Weil sie es nicht schaffen, von den immer geringeren Preisen für ihre hochwertig erzeugten Nahrungsmittel zu überleben. Ob Milch, Fleisch, Eier, Brot, Obst oder Gemüse - es ist überall das gleiche: Unter dem ständigen Druck des Lebensmittelhandels hat nur noch eine Chance, wer immer mehr und immer billiger produzieren kann. Das schaffen nur die Großbetriebe, die kleinen Höfe bleiben auf der Strecke.
Und dabei kommen dann zwangsläufig alle nicht gewünschten Nebenwirkungen wie Massentierhaltung, Gülleproblem, Kükentötung, Monokulturen, Trinkwasserschäden, Insektensterben usw. heraus.
Aber: die Landwirtschaft ist auch nicht an allem Schuld, es gibt auch eine Menge anderer Ursachen. Jeder muss sich da mal an seine eigene Nase fassen...!
Wir selbst sind in der glücklichen Lage, dass wir unsere Produkte ohne Zwischenhandel direkt an die Verbraucher verkaufen können. Das ist zwar ein hoher organisatorischer und finanzieller Aufwand, dafür können wir aber selber über den Preis unserer Produkte bestimmen. Wir kommen zurecht, weil unsere Kunden Verständnis haben und bereit sind, für gute Lebensmittel einen angemessenen Preis zu bezahlen. Sicher auch, weil wir in gutem Kontakt zu unseren Kunden sind. Sie kennen uns und wir reden miteinander.
Leider haben aber nur wenige meiner Kollegen diese Möglichkeit. Warum? Weil die ganz große Masse der Verbraucher immer noch gezielt die billigsten Lebensmittel kauft. Ohne irgendein Interesse dafür, wo und unter welchen Umständen das Produkt erzeugt wurde.
Jeder will mehr Tierwohl. Mehr Stallplatz pro Tier, am besten Freilandhaltung. Man kann den Tieren viel Leid ersparen, aber das kostet. Mehr als das Billigfleisch!
Und da hört der Wille, etwas verbessern zu wollen, bei den meisten Verbrauchern leider ganz schnell wieder auf. Man kann gutes Fleisch kaufen. Von Tieren, die ein besseres und längeres Leben hatten. Aber kaum einer ist bereit, auch nur wenige Cent mehr dafür zu bezahlen...
Ich meine: Sie haben es in der Hand, Sie können die Agrarwende sofort herbeiführen! Mit Ihrer Entscheidung am Kühlregal schaffen Sie eine Nachfrage. und was nachgefragt wird, wird im nächsten Moment auch produziert.Kein Landwirt hätte einen Stall mit meinetwegen 2.000 Schweinen, wenn er von 200 Schweinen auf der Weide besser leben könnte!
Kaufen Sie nicht den billigen "Mist", essen Sie lieber weniger Fleisch und dafür gutes!
Mir ist schon klar: viele müssen verdammt hart rechnen mit ihrem Geld und manche können sicher auch nicht mehr Geld für Lebensmittel ausgeben. Manch einer in Deutschland könnte aber auch seine Prioritäten überdenken...
In Deutscland sieht man oft den SUV vorm Discounter stehen, in unseren Nachbarländern steht eher der Kleinwagen vor dem Feinkostgeschäft. Finde den Fehler...!
Fragen Sie nach hochwertigen Lebensmitteln und bezahlen Sie einen vernünftigen Preis dafür. Und fragen Sie nicht gerade im Discounter, sondern am besten bei Ihrem Fleischer, Bäcker, auf dem Wochenmarkt und natürlich direkt bei den Bauern im Hofladen (es werden immer mehr und dort wird man Ihnen gerne alles zeigen und erklären).
Lassen Sie sich nicht von Hochglanzwerbung täuschen. Nicht jeder HOF hat eine WIESE und nicht jede verkaufte Wurst macht BAUERN GLÜCKlich! Fragen Sie den Marktleiter Ihres Lebensmittelgeschäftes nach regionalen Produkten direkt aus der Landwirtschaft. Wenn da genug fragen wird der sich schon kümmern! Vielleicht werden Sie dann feststellen, wie gut Lebensmittel eigentlich schmecken können. Und dann hätten eventuell auch meine Kollegen mit dem kleinen Hof auf dem Land wieder eine Zukunft!
Die Gefahr ist ganz real:
sind hier erst alle Bauern weg, dann verschwinden auch in den vor- und nachgelagerten Bereichen eine große Menge Arbeitsplätze. Und die Lebensmittel kämen dann nach langer Reise klimaschädlich aus dem Ausland. Dann sollte man besser nicht mehr fragen, wie es dort auf den Feldern und in den Ställen aussieht...
Liebe Verbraucher: redet mit uns Landwirten, nicht über uns! Gemeinsam können wir alles erreichen!
Mit schönen Grüßen vom Hof, Ihr Hajo Kaemena